Es ist Krieg und alle gehen hin
Wir sind im Krieg, Täglich wird in der Ukraine gestorben, wohlgemerkt auf beiden Seiten. Die Eskalation macht mir Angst, wir könnten in den Krieg hineingezogen werden. Oder sind wir schon drin? Schließlich ist da der Wirtschaftskrieg mit den Folgen Inflation und Reallohnverlusten. Die Hoffnung, die Klimaentwicklung halbwegs in den Griff zu bekommen, schwindet.
Seit den 60er Jahre des letzten Jahrhunderts bin ich Teil der Friedensbewegung. Meine Vision heißt Schwerter zu Pflugscharen. Auch jetzt versuche ich mich für den Frieden stark zu machen.
Ich suche nach Lösungen und stoße auf Widerstand.
Ein Gewerkschaftskollege nennt mich „Lumpenpazifist“.
Sozialdemokratische Freunde sprechen von einer Zeitenwende. Die Entspannungspolitik sei ein Fehler gewesen.
Grüne Freundinnen stören sich plötzlich nicht mehr am Frackinggas. Ohne Skrupel werden nun Schäden für das Wattenmeer erwartet, da Chlor und Brom ins Meer eingeleitet wird, um die Rohrleitungen zu reinigen.
Auf einer Friedensdemo übernehmen Ukrainerinnen das Mikrophon und rufen theatralisch „Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden“. Es gibt sogar Beifall.
Ein Freund von der Partei Die Linke will, dass Waffen geliefert werden. Ein Genosse der Linksjugend würde gerne wieder Internationale Brigaden aufleben lassen.
Ein Autonomer will mich davon überzeugen, dass die Aufrüstung und das sogenannte Sondervermögen dem Selbstbestimmungsrecht und der Freiheit dienen.
Eine Kommunistin spricht von einer Hauptkampflinie und deshalb habe man auf der Seite Russlands zu stehen. Ich würde mich dem Narrativ der Herrschenden unterwerfen.
Ein Trotzkist betont die imperiale Rolle Russlands. Jegliche Differenzierung wäre verkehrt.
Ein Kumpel aus meinem Verein meint, ich solle zur Unterstützung der USA demonstrieren, sie würden schließlich die Nazis in Russland bekämpfen.
Und dann trifft es mich besonders hart. Ich sei rechtsoffen, wissenschaftsfeindlich und auch noch esoterisch, sagt jener Kollege, der sein Kind auf die Walddorfschule schickt. Und überhaupt solle ich doch keine Querfront anstreben.
Mir reicht es.
Ich habe auf verschiedenen Kundgebungen, zu denen ich eingeladen war, meine Ansicht zu dem Krieg, den Hintergründen und zu meinen Einschätzungen vorgetragen. Ich lasse mich nicht mit Demagogen der AFD gleichsetzen. Natürlich muss man meine Ansicht nicht teilen. Aber man kann mich wenigstens anständig behandeln.
Wir erleben die Renaissance des deutschen Militarismus. Es gibt eine reale Kriegsgefahr und es gibt eine Gefahr von rechtsaußen, die AFD legt in den Umfragen zu. Fragt ihr Euch nicht, was man dagegen tun kann?
Wir sind alles andere als rechtsoffen. Wir lehnen Krieg ab. Wir denken nicht in Feindbildern. Ja, wir müssen aufpassen, das uns keine Demagogen vereinnahmen. Bei uns haben die Menschen selbstredend keine unterschiedliche Wertigkeiten und Rechte. Wir treten nicht nach unten und katzbuckelnd nicht nach oben.
Für mich als Gewerkschafter bedeutet das Eintreten für den Frieden internationale Solidarität und Antifaschismus. Ich mag auch weiter gehen als viele von Euch mit denen ich für den Frieden in der Ukraine eintrete.
Ja, ich sage „Butter statt Kanonen“. Wir leben in einem Land, wo fast jedes fünfte Kind in Armut aufwachsen muss. Gleichzeitig rüsten wir auf.
Ich habe auch die Besitz- und Machtverhältnisse im eigenen Land im Blick und ich frage mich, wem was nützt. Wer letztlich eine Welt in Frieden haben will, der muss dafür sorgen, dass diese Konkurrenzökonomie, die wir haben, dass diese Ausplünderung des Planeten und das aufeinander Hetzen der Völker aufhört. Und bei einem Wirtschaftssystem, das auf Konkurrenz und Rivalität beruht, wird es keinen dauerhaften Frieden geben.
Soweit meine Meinung, die vermutlich noch nicht mehrheitsfähig ist. Ich behaupte nicht, dass ich die Weisheit gefressen habe. Ich stehe zu meiner Meinung, aber sie ist nicht die Bedingung, um gemeinsam für Frieden einzutreten.
Wir alle sollten unsere Meinung zum Frieden laut vortragen. Überall. Vereint. Weil es nichts Wichtigeres als den Frieden gibt. Ohne Frieden ist alles nichts
Michael Quetting im Sommer 2023