Michael Quetting

Ohne Frieden ist alles nichts

Wir gedenken

Anna Ackermann

Anna Ackermann, geb. Lindeck, war Tochter der Fabrikantenfamilie Hans und Rosalie Lindeck, geborene Wolf. Lindecks waren typische Juden, die sich assimilieren wollten. Assimilation bedeutet Angleichung oder Anpassung, die mit der Verleihung bürgerlicher Rechte an Juden einherging.

Hans Lindeck wurde als Isidor Levy im saarländischen Sulzbach geboren. Er konnte durch ein Dekret des Kö­nigs von Preußen 1888 seinen Nachnamen ablegen und nannte sich fortan Hans Lindeck.
Assimilierte Juden versuchten, sich durch Übernahme von Verhaltensnormen und Lebensweisen ihrer nicht-jüdischen Umwelt anzupassen. Dabei traten die religiösen Belange in den Hintergrund, die politische und staatsbürgerliche Identifikation in den Vordergrund.

Hans Lindeck verstand sich als Patriot und er sagte sich nicht nur von seinem Glauben los, sondern er wollte alles vermeintlich Jüdische verneinen oder leugnen. Deswegen ließ er sich protestantisch taufen. So aß er ausdrücklich und mit Vorliebe Schweinefleisch und zwang auch seine Frau, die wohl gläubiger war und sich sichtlich davor ekelte, ebenso Schweinefleisch zu essen. Er versuchte das Deutschtum besonders konsequent zu leben. Natürlich erzog er seine Tochter auch in diesem Geiste. Die Erziehung war streng evangelisch, so wie das Kaiserhaus, die biblische Geschichte spielte in der Erziehung eine zentrale Rolle. Offenbar wurde sie aber nicht christlich getauft.

Am 1. Juli 1889 kaufte Hans Lindeck eine Fabrik für schmiedbaren Eisenguss, Stahlfacon- und Messingguß in der Friedensstraße in Kaiserslautern. 1893 heiratete er Rosalie (Rosa) Wolf aus Herxheim in der Pfalz.

Fabrik Hans Lindeck

Der Betrieb wurde zu einer Stahlgießerei ausgebaut. Vor dem Ersten Weltkrieg bezog man das Roheisen aus England und Schweden. Es wurden auch Brauereiartikel und nach dem Weltkrieg auch Pflüge hergestellt. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise waren 85 Arbeiter beschäftigt.

Die Großeltern Lindeck, das Ehepaar Ackermann und ihre Kinder Irene und Günther

Nach dem Tod von Hans Lindeck am 31.1.1928 führte Eugen Richard Ackermann, der Ehemann von Anna Lindeck, bis zu seinem Tod 1932 das Unternehmen. Danach lag das Geschäft in der Hand von Anna Ackermann bis zur Arisierung 1938. Nach dem Faschismus ging das Eigentum an ihren Sohn Günther über.

Anna hatte ein privilegiertes Leben in ihrer Jugend, genoß beste Erziehung und verbrachte Studienaufenthalte in Paris und England. Im 1. Weltkrieg war sie als begeisterte Rotkreuzschwester tätig und erhielt dafür entsprechende Auszeichnungen. 1917 heiratet sie den Oberapotheker Eugen Ackermann. Er kam 1932 ums Leben. Mit ihm hatte sie drei Kinder: Irene, Günther und Marianne.

Die Kinder Irene, Günther und Marianne mit Vater Ackermann auf der Nahe


1938 nach den Novemberpogrom zog sie mit Hilfe ihrer Tochter Irene nach Berlin und lebte dort in eine leere Wohnung von nach Amerika ausgewanderter Lindecks. Mieter war wohl ihr Sohn Günther.

1941 wurde Anna getauft. Sie wollte sich damit vor einer möglichen Deportation schützen. 1942 wurde ihre Mutter Rosa und ihre Tante Frieda  nach Theresenstadt deportiert, wo man sie verhungern ließ. Sie starben Anfang 1942.

Anna Ackermann 1942


Anna arbeitetet in einer chemischen Reinigung und sollte von der Gestapo verhaftet werden, wurde allerdings von Frau Knochenhauer, der Ehefrau des Hausmeisters durch Handzeichen gewarnt, als sie auf dem Weg in ihre Wohnung war. Dieses Ereignis wird in em Brief ihrer Tochter Irene an deren Enkelkind Irene ausführlich beschrieben. 

illegal in Deutschland

Von dann lebte sie in der Illegalität. Am Anfang versteckte sie ihr Schwager Helmut Ackermann, welcher in Werder an der Havel wohnte und auf einem Gut beschäftigt war. Sie bezog verschiedenen Quartiere in Rüssingen und Göllheim und für etwa einen Monat im Oktober 1944 war sie auch in Landau, wo sie Frau Kuntz vom  bekannten Café Kuntz Landau versteckte, die sie als Nachbarin von der Mainzerstraße in Kaiserslautern kannte.

Anna Ackermann im Jahre 1950


Anfang März 1945 nimmt die 11. US-Panzerdivision die Gegend um Göllheim ein, der Faschismus liegt in seinen letzten Zügen. Am 15. April kann Anna Ackermann ihr Schutzquartier verlassen.

Grabstätte der Familie Ackermann-Lindeck auf dem Friedhof in Kaiserslautern


Sie starb im Hause ihrer jüngsten Tochter Marianne Bickel am 2. Mai 1982 im hessischen Ilbenstadt. Sie wurde im Familiengrab auf dem Waldfriedhof in Kaiserslautern begraben.


 

Eine Gerechte der Pflege

Die Jüdin Anna Lindeck wurde am 15.6.1894 in Kaiserslautern geboren. Sie war Tochter des am 14. Februar 1860 im saarländischen Sulzbach geborenen Fabrikanten Hans Lindeck (geb. Levy) und dessen Frau Rosalie Wolf.

Am 23. April heiratete sie den Apotheker Eugen Richard Ackermann. Dieser war Frontoffizier, der in voller nationaler Überzeugung für sein Vaterland in den Krieg zog.

Das Ehepaar Ackermann


Auch Anna fühlte sich als Patriotin und arbeitete deshalb als Rote-Kreuz-Schwester im Lazarett. Für diese Arbeit erhielt sie hohe Auszeichnungen. 

Auch der König bedankte sich. Es sollte ihr Jahre später nichts helfen.

Ihre Begeisterung für den Krieg schwand. Als das junge Ehepaar im März 1918 ihr erstes Kind bekam, da kamen sie von ihrem ursprünglichen Plan ab und nannten es nicht wie vorgesehen „Viktoria“, da sie nicht mehr an den Sieg glaubten, sondern „Irene“ um ihrer Friedenssehnsucht Ausdruck zu verleihen.

Die Krankenschwester im Einsatz


1932 kam ihr in der Deutschen Volkspartei wirkender Mann bei einem Unglück um Lebens.

Mutter Anna mit Tochter Irene


Als 1933 die Nazis das Sagen hatten, wurde diese politische Entwicklung zu Beginn von ihr durchaus begrüßt, fühlte sie sich ja weiterhin dem Nationalen zugewandt. Es war nicht ungewöhnlich, dass viele deutsche Juden glühende Patrioten für ihr Heimatland Deutschland waren und anfangs deshalb die Gefahr durch die Nazis unterschätzten.

Aber die Nazis konnten der freigeistigen Deutschen nicht ihre jüdische Vergangenheit verzeihen.

In der Reichspogromnacht 1938 rückte auch in ihrem Haus ein SA Trupp an, um „Haussuchung" zu halten, Bücherschränke wurden umgeworfen und Einrichtungsgegenstände zerstört. Durch das beherzte Eingreifen einer mutigen Nachbarin im Zerstörungswahn gestört, zog die SA wieder ab. Anna Ackermann musste innerhalb weniger Stunden die Pfalz in Richtung „Rechtsrheinisches“ verlassen – mit dabei ihre jüngste Tochter Marianne, die gerade mal 12 Jahre alt war.

Anna ging nach Berlin. Wie alle jüdischen Frauen musste sie zusätzlich zu ihrem Vornamen den Namen Sarah führen, hieß also damals offiziell „Anna Sarah Ackermann“. Den „Judenstern“ musste sie nicht tragen, da ihr Mann „Arier“ und Frontkämpfer gewesen war, die Ehe galt als so genannte „privilegierte Mischehe“, obgleich ihr Mann gar nicht mehr lebte. 

Ihre Mutter Rosa Lindeck und Tante Frieda Reinstein wurden nach Theresienstadt deportiert und die Nazis ließen sie dort verhungern. Viele Verwandten und Freunde wurden ermordet, einige konnten auswandern. Anna wurde „dienstverpflichtet“ und musste in einer chemischen Reinigung arbeiten.

Von der Arbeit nach Hause heimkehrend, wurde sie im Juli 1943 von einer Kommunistin gewarnt. Die GESTAPO war in der Wohnung, um sie abzuholen. Anna Ackermann musste in die Illegalität abtauchen. Die Nazis bemächtigten sich ihres Kindes und verhörten sie 14 Tage in einem Sammellager, von wo aus auch Abtransporte in die Konzentrationslager stattfanden. Das Kind machte Fürchterliches durch, blieb aber standhaft und verriet seine Mutter nicht.

In insgesamt sechs unterschiedlichen illegalen Unterkünfte halfen ihr Deutsche mit vollkommen unterschiedlichen Weltanschauungen. Was sie aber alle gemeinsam hatten, war ihr gutes Herz, und ihr absolutes Unvermögen, Unrecht schweigend geschehen zu lassen. Sie retteten Anna Ackermann das Leben.

Anna Ackermann starb am 2. Mai 1982.


Aufgeschrieben vom Enkel Michael Quetting für das Virtuelle Denkmal „Gerechte der Pflege“

 
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