Michael Quetting

Ohne Frieden ist alles nichts

Für ein Verbundklinikum Saar in öffentlicher Hand

Immer mehr saarländische Krankenhäuser geraten in finanzielle Notlagen. Die immer härtere  Konkurrenz  untereinander führt über Personalabbau zu unerträglichen Arbeitsbedingungen in allen Bereichen und bei der pflegerischen und medizinischen Versorgung zur Unter- und auch Überversorgung. Längst schon steht nicht mehr der Patient im Mittelpunkt, ganz alleine das Streben um ein wirtschaftliches Überleben rückt immer mehr in den Focus. Am Tag der Pflegenden, 12. Mai 2014, machten wir diesen Vorschlag und forderten eine grundsätzliche Änderung der Gesundheitspolitik.

Die Gewerkschaft ver.di hält die vorgeschlagene Zusammenarbeit der Kliniken im Saarland angesichts teilweise erheblicher wirtschaftlicher Probleme vieler Krankenhäuser für unverzichtbar, wenn im Saarland auch in der Zukunft eine stationäre Krankenversorgung in öffentlicher, freigemeinnütziger und christlicher Trägerschaft und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung betrieben werden soll.
Ohne einen gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss unter funktionierender demokratischer Kontrolle wird die aus Sicht von ver.di erforderliche gesellschaftspolitische Kooperation keinen Erfolg zeitigen können. Nur ein Verbund, unter dem sowohl die kommunalen Krankenhäuser, die SHG-Gruppe, das Knappschaftsklinikum Saar, die Krankenhäuser der Caritas, der Diakonie, der Marienhauskliniken, des Deutschen Roten Kreuzes als auch die Universitätskliniken in Homburg zusammengeführt werden müssen, wird mögliche profitorientierte Übernahmepläne privater Betreiber wirklich verhindern können.
Nur so kann auch in Zukunft sichergestellt werden, dass alle Menschen völlig unabhängig von ihrer sozialen oder gesundheitlichen Situation Zugang zu allen erforderlichen Gesundheitsleistungen im Bereich des Verbundklinikums haben.
Die Gesundheit des Einzelnen muss immer über den Gewinninteressen Einzelner stehen.
Demokratische Kontrolle
Schon alleine aus diesem Grund ist nach Meinung der Gewerkschaft ver.di die Schaffung eines Verbundklinikums unverzichtbar. Ein Zusammenführen aller Träger, eine demokratische Organisation und Kontrolle im Interesse der Patienten und Beschäftigten ist nur auf diesem Weg umsetzbar.
Diese demokratische Kontrolle beinhaltet auch einen Aufsichtsrat, der in der Lage sein muss, die heute noch mit unterschiedlichen Partikularinteressen ausgestatteten Akteure des Gesundheitswesens zu vereinen.
Von diesem Aufsichtsrat, der sich aus Vertretern der Anteilseigner, der Arbeitnehmervertreter, der Krankenkassen, der im Landtag vertretenen Parteien, der Gewerkschaften, der Berufsverbände und der Arbeitskammer zusammensetzen und eine paritätische Besetzung gewährleisten muss, kann die Konkurrenzsituation zwischen den Krankenhäusern, auch zwischen den Maximalversorgern Uniklinik und Klinikum Saarbrücken, zwischen Kostenträger Krankenkassen und Krankenhäusern, zwischen Patienteninteressen und gesellschaftlicher Steuerung aufgelöst werden.

Betriebsrat
Eine wirksame Mitbestimmung des Betriebsrates muss auf allen Ebenen sichergestellt werden, weswegen in einem Tarifvertrag nach § 3 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat Mitbestimmungstatbestände bei Entscheidungen des Klinikums und die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses verbindlich geregelt werden müssen. Die Mitbestimmung darf über Tendenzeinrede nicht eingeschränkt werden.
Gesetzliche Personalbemessung
Aktuell wird immer wieder versucht, den immer größeren Kostendruck über eine Senkung der Personalkosten zu kompensieren. Die völlig verfehlte Gesundheitspolitik darf jedoch nicht immer mehr zu Lasten der Beschäftigten gehen.
Eine personelle Unterbesetzung in vielen Bereichen, wachsende Gefährdungen im Pflegebereich, gravierende Hygienemängel, fragwürdige Zielvereinbarungen für Chefärzte, der fortschreitende Abbau von  Krankengymnastik und Logopädie bis hin zu Stellenstreichungen beim Sozialdienst sind schon längst Realität.
Diese Situation führte am 12. Oktober 2013 zur bislang größten Demonstration der Krankenhausbeschäftigten im Saarland. Um dieser Entwicklung wirksam zu begegnen, fordert ver.di eine gesetzliche Personalbemessung für alle Krankenhäuser
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Ausbildung  sichern

Das Verbundklinikum darf in der Summe nicht weniger Ausbildungsplätze als heute aufweisen. ver.di erwartet eine verbindliche Regelung zur Durchführung von Praxisanleitungen für die Auszubildenden. Die Gelder, die das Verbundklinikum von den Kassen für die Ausbildung erhält, dürfen ausschließlich für die Ausbildung ausgegeben werden.
Alle Krankenpflegeschulen inklusive ihrer Personal- und Leitungsstrukturen müssen erhalten bleiben. Dies jedoch unter einer Gesamtleitung im Verbundklinikum, um einheitliche Standards in der Ausbildung und eine flächendeckend gleiche Qualität der Ausbildung zu gewährleisten.

Die staatliche Pflichtaufgabe

ver.di sieht in der flächendeckenden und bedarfsgerechten stationären Versorgung eine staatliche Pflichtaufgabe im Rahmen der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge. Bevor es durch die Schuldenbremse und die ungenügende Refinanzierung der Krankenhauskosten zur bereits absehbaren Katastrophe kommt, müssen wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Unverzichtbar ist eine gesellschaftliche Planung und Steuerung, um nach dem umfassenden Versagen der Marktkräfte in den Krankenhäusern nicht die Zerstörung des im Grundgesetz verankerten Sozialstaats hinnehmen zu müssen.
Die Gewerkschaft ver.di sieht die Schaffung eines Verbundklinikums Saar als einen ersten Schritt auf dem Weg, eine völlig verfahrene und gescheiterte Gesundheitspolitik wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

Die Begründung im Detail
Ausgangssituation

Durch den Konkurrenzkampf der Krankenhäuser, der sich durch das deutsche Fallpauschalensystem  (DRG) immer mehr verstärkt, wird nach volkswirtschaftlichen Kriterien Verschwendung zum Nachteil der Patientinnen, Patienten und Beschäftigten betrieben. Auch im Saarland schreiben immer mehr Krankenhäuser rote Zahlen. Immer größer wird der Druck auf das Personal. Nach einer Erhebung von ver.di fehlen allein an der Saar 3.350 Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern, um die Dienstleistung auf gefordertem Niveau erbringen zu können.
Der Arbeitsplatz Krankenhaus laugt die Beschäftigten aus und schadet ihrer Gesundheit. Unter dem Wettbewerbs- und Kostendruck fahren die Krankenhäuser so seit Jahren mit der Gesundheit ihres Personals „auf Verschleiß“. Beschäftigte in Krankenhäusern haben überdurchschnittlich viel Stress in der Arbeit, sind mehr krank, leiden öfter unter psychischen Krankheiten und scheiden früher aus dem Erwerbsleben aus als der Durchschnitt aller Erwerbstätigen.
Die Krankenhäuser verschleißen darüber hinaus die Motivation der Beschäftigten. Sie nutzen die helfende Motivation der Beschäftigten systematisch aus. Beschäftigte stellen eher ihre eigene Gesundheit zurück, als Kranke unversorgt zu lassen. Das wird in der Personalplanung rücksichtslos dafür genutzt, weniger Personal zu beschäftigen als notwendig ist.
Ein normaler Krankheitsausfall führt in vielen Bereichen zu Notbesetzungen. Unbezahlte Bereitschaften sind in fast allen Krankenhäusern üblich, unbezahlte Anteile der Arbeitszeit werden größer. Wer im Krankenhaus nachts und am Wochenende Dienst macht, erhält weniger Zuschläge als Beschäftigte in anderen Branchen.
Unter dem Kostensenkungs- und Wettbewerbsdruck suchen die Krankenhäuser den Anteil der Fachkräfte zu verringern und so die Personalkosten zu senken. Dazu haben sie die Arbeitsteilung enorm vorangetrieben. Immer mehr Tätigkeiten werden auf Hilfskräfte verlagert. Entstanden sind Tätigkeitsbilder, die mehr dem tayloristischen Bild vom Handgriff am Fließband als der Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team entsprechen. Dies entspricht weder dem Patientenwohl noch dem Beschäftigteninteresse.
Aufgrund von Personalmangel und Arbeitsdruck können viele Beschäftigte die Kranken nicht mehr in dem Maße versorgen, das ihrem beruflichen Selbstverständnis entspricht und es entstehen Lücken in der sicheren Versorgung der Patienten. Die Ausdünnung des Fachkräftebestands führt zu wachsenden Belastungen der verbleibenden Fachkräfte mit Dienst zu ungünstigen Zeiten nachts, am Wochenende und an Feiertagen.
Krankenversorgung ist ein kooperativer Prozess, bei dem verschiedene Beschäftigten- und Berufsgruppen wie ein Räderwerk ineinander greifen müssen. Dem steht eine wachsende Zersplitterung der Belegschaften in Kernfirma und ausgegliederte Firmen gegenüber. Krankenhäuser lagern Tätigkeitsbilder, Gewerke oder Berufe aus dem Krankenhausbetrieb aus und verlagern sie in ausgegliederte Firmen. Motivation ist die Tarifflucht, kurz Lohnsenkung. Deswegen fordert ver.di, die Servicegesellschaften aufzulösen und ins Verbundklinikum einzugliedern. Outsourcing ist auszuschließen.

Das Ziel

Ziel des öffentlichen Verbundklinikums Saar  muss es sein, eine regionale flächendeckende Krankenhausversorgung in der Grund- und Regelversorgung inklusive geriatrischer Angebote mit Angeboten der Maximalversorgung zu vernetzen. Dabei muss sich Gesundheitsversorgung am Bedarf und an qualitativen Kriterien orientieren.

ver.di will eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen im Krankenhaus.

Die Forderungen
Tarifvertrag

In einem Umstrukturierungstarifvertrag sind sowohl für die übergehenden als auch für die künftig neu eingestellten Beschäftigten des Verbundklinikums Saar die hier genannten Mindeststandards für die Beschäftigten und der Ausschluss von betriebsbedingten (Änderungs-) Kündigungen verbindlich zu regeln. ver.di fordert die Anwendung eines einheitlichen Tarifvertrages, damit auch hier der Wettbewerb um die schlechteste Bezahlung und soziale Bedingungen gestoppt wird. Wir wollen die umgehende Verbindlichkeit des TVÖD für alle Krankenhäuser.

Schutz der Beschäftigten
ver.di besteht auf der Einhaltung des Arbeitsschutzes und des Arbeitszeitgesetzes in den Krankenhäusern. Nur gesunde Gesundheitsarbeiterinnen machen Patienten gesund. Arbeit im Krankenhaus ist verantwortungsvoll, qualifiziert und die Zuwendung zu Kranken erfüllt die Arbeitenden mit Sinn und gibt ihnen hohe Motivation.

Umdenken bei der Finanzierung
ver.di fordert eine Reform der Krankenhausfinanzierung, die sich den Bedürfnissen der Menschen unterordnet und nicht der Ökonomie. Grundlage dazu ist eine umfassende Bedarfsplanung, die von den saarländischen Akteuren in einem demokratischen Prozess zu erarbeiten ist. Wir wollen Krankenhaus-Budgets, die auch die Vorhaltekosten berücksichtigen. Ökonomische Fehlanreize gehören nicht ins System, Krankenhäuser dürfen weder Verluste noch Gewinne machen. Es darf keine Gewinnabführung aus dem Verbundklinikum Saar an Dritte geben, alle Gewinne aus dem Betrieb von Kliniken müssen vollständig im Klinikverbund reinvestiert werden.
ver.di verlangt, die Realkostensteigerungen der Krankenhäuser zu bezahlen. Gleichzeitig verlangen wir die Einhaltung der dualen Finanzierung. Durch die Reduzierung der Investitionszuschüsse begeht die Landesregierung Rechtsbruch und zwingt die Krankenhäuser zur Verschiebung und damit der Veruntreuung von Versichertengeldern. Eine Änderung der Investitionskostenfinanzierung in Richtung Monistik wird von ver.di abgelehnt. Die Umwidmung von Betriebsmitteln aus DRG‐Erlösen zur Eigenfinanzierung von Investitionen durch die Krankenhäuser stößt auf unseren Widerstand.

Das DRG - System
Aktuell bringen nur abgeschlossene, dokumentierte, und abrechenbare Verrichtungen  den Kliniken Erlöse. Kommunikation und unnötige Prozeduren reduzierende Therapie werden nicht vergütet. Das derzeitige System setzt Anreize zur Fallzahlsteigerung und zu sachkostenintensiven Prozeduren. Der andauernde Kostensenkungswettbewerb geht zu Lasten der Beschäftigten. Gleichzeitig wird das Berufsethos der Krankenhausbeschäftigten mit Füßen getreten.
Die Vorhaltekosten von Krankenhausstrukturen mit naturgemäß wechselnder Belegung wie Notfallambulanzen und Intensivstationen werden im deutschen DRG‐System nicht berücksichtigt.
Die Festpreise nach DRG haben mit den tatsächlichen Selbstkosten wenig zu tun. Die Preise für die Krankenhausleistungen werden unter die Selbstkosten vieler Krankenhäuser gedrückt. Das ist die Ursache für eine kompensatorische Fallzahlausweitung, um so die roten Zahlen zu verhindern.

Das Verbundklinikum im Ergebnis
Durch die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen werden enorme Synergieeffekte frei werden. Anstatt sich gegenseitig bürokratisch zu kontrollieren, wird man gemeinsam unbezweifelbar erkennbare medizinische Notwendigkeiten im Interesse der Versicherten umsetzen können.
Durch die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften, Betriebsräten und Arbeitskammer mit den Anteilseignern und den politischen Vertretern werden die Interessen der Beschäftigten gewahrt.
Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung und der Krankenhausstandorte muss dem Bedarf folgen. Daher widersetzt sich ver.di nicht einer kritischen Prüfung des Bedarfs an Krankenhäusern und Krankenhausbetten. Ein Abbau von Kapazitäten darf aber nur aufgrund veränderter medizinischer und pflegerischer Notwendigkeiten erfolgen. Der Bedarf ist im Krankenhausplan festzulegen. Dabei setzt sich ver.di für eine sektorübergreifende Planung ein, d.h. diese soll sowohl ambulante und stationäre medizinische Versorgung wie auch Rehabilitation und Pflege umfassen. Ob eine Betriebsstätte des Verbundklinikums Saar betrieben wird und welches Leistungsspektrum sie anbietet, ist unter Berücksichtigung der Versorgungssituation in der Region im Zusammenspiel mit dem Saarland zu entscheiden.

Fazit
Der Wettbewerb der Krankenhäuser läuft größtenteils über die Senkung der Selbstkosten, vor allem der Personalkosten. Die Fachleute sprechen von einer Kellertreppe zur Senkung der Fallkosten, was aber zu rücksichtslosem Personalabbau, Arbeitsverdichtung und Schaffung von prekären Arbeitsverhältnissen geführt hat.
Wir brauchen eine neue Gesundheitspolitik, welche die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt stellt, die Gesundheit nicht vom individuellen Geldbeutel abhängen und die Beschäftigten nicht zum Ausbeutungsprojekt werden lässt.
Gesundheitssystem, Krankenhäuser und Krankenkassen sind Errungenschaften eines jahrhundertelangen harten Kampfes. Sie gehören den Menschen, die diesen Kampf geführt haben. Sie werden sie sich nicht mehr nehmen lassen. Denn sie sind lebensnotwendig.

Saarbrücken, am Tag der Pflege 12. Mai 2014

 
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